Viva la revolución - Sich erinnern heißt nochmal erleben

Es ist soweit: Ich habe mein Schicksal selbst in die Hand genommen und bin dem Sommer entgegen geflogen. Wer weiß, ob sich die Sonne in diesem Jahr für drei Tage am Stück in Norddeutschland blicken lässt.

Nach der einsamen Landschaft auf den Lofoten ging es ins pulsierende Havanna. Doch man sollte sich von den lachenden Gesichtern und den musizierenden, singenden oder tanzenden Kubanern nicht täuschen lassen. Es ist ein sehr armes Land. Während ich mich auf den Lofoten fragte, wie sich die Leute das leisten können, stellt sich hier die Frage, wie die Leute gerade in der Hauptstadt Kubas durchkommen.

 

Havanna - "Musik ist die Seele eines Volkes"

Die Vorbereitung auf mein Kuba-Abenteuer fiel dieses Mal um einiges üppiger aus. Da wir mehrere Tage in Havanna sind und dabei auch einige „Freizeit" haben, besorgten wir uns vorweg Stadtpläne. Gerade die zahlreichen Gassen luden geradezu zum fotografieren ein. Doch genauso wie bei der Norwegen-Reise galt auch hier: Wir wollen das Land nicht nur durch den Kamerasucher sehen, sondern es wirklich erleben. Schließlich ist ja Urlaub angesagt. Also hieß es immer wieder, die Kamera wegzupacken und das Havanna-Feeling in sich aufzunehmen.

Gleich nach der Ankunft Sonntagnachmittag in Havanna ging es kurz ins Hotel und dann sofort zum Callejon del Hamel, denn dort sollte es jeden Sonntag Musik und Tanz geben. Also hieß es ohne Verschnaufpause gleich in Havanna-Stimmung kommen und der Zeitverschiebung den Mittelfinger zeigen. Wie sagte der bekannteste kubanische Dichter: Musik ist die Seele eines Volkes. Und davon bekam man gleich am ersten Nachmittag einen Eindruck. Zwar war am Nachmittag von Musik keine Spur mehr in der Straße, doch wuselten überall Menschen herum, tranken, redeten oder ließen ihre Frisur richten.

Später ging es zum Malecón, dem wahrscheinlich längstem Sofa der Welt. Besonders schön zur blauen Stunde, wenn sich etliche Leute aus ihren kleinen Wohnungen auf den Weg zur Uferpromenade gemacht haben und dann auf der Mauer sitzen, musizieren oder einfach nur hinaus ins Meer zu schauen. Der Blick ist dabei in die Richtung gerichtet, den bereits viele auf teilweise selbstgebauten Flößen nahmen und auf dem Weg in die angeblich verheißungsvolle USA manchmal ihr Leben verloren. Abends um 21 Uhr dann plötzlich ein Kanonenschlag! Früher das Signal, dass das Tore geschlossen wurde, um die Stadt vor Piraten zu schützen, heute ein Grund für die Menschen, die Rumflasche herumgehen zu lassen.

Nach dem Guide-Programm haben wir uns immer wieder von der Stadt treiben lassen. Einfach mal spazieren gehen, über die großen Plätze oder den Malećon entlang und das zu Sonnenuntergang. Man fühlt sich manchmal wie in einer Zeitblase gefangen. Wer weiß, wie lange das Havanna wie wir es hier erleben noch existiert. Auf jeden Fall ist erfreulich, dass man sich nicht zwischen 20 Käsesorten entscheiden muss. Ein Stressfaktor weniger mit Blick auf Deutschland!

 

Untergekommen sind wir im geschichtsträchtigen Hotel „Habana Libre" im aufstrebenden, künstlerischen Stadtteil Vedado. Wenn man sich vor der Reise Fotos von Havanna anschaute, störten mich im Stadtbild immer zwei große Gebäudeklötze in der Nähe. Dazu zählte auch das „Libre", das vor der Machtübernahme durch Fidel Castro, der sich dort dann später einrichtete, noch typisch amerikanisch „Havanna Hilton" hieß. Das Hotel gehörte eine Zeit lang, wie andere auch, der Mafia und war nach der amerikanischen Prohibition ein Anziehungspunkt für Glücksspiele. Unabhängig davon liegt eines der Restaurants im 25. Stock und damit ganz oben. Von dort aus hat man abends einen wunderschönen Rundumblick über die Stadt.

Vorher wurden wir schon gewarnt, dass die Kubaner aufgrund der großen Hitze die Klimaanlagen in den Hotels und auch Bussen extrem herunterdrehen. Und tatsächlich liefen wir in dem „Libre" ständig mit etwas langem über den Shirts und einen Halstuch rum. Wahrscheinlich machen die Kubaner das ja zum Spaß, eine geheime Revolte gegen den Tourismus. :-)

 

 

Das spezielle Kuba-Feeling: Leute, Leute, Leute

Kurz gesagt, man findet es in jeder Gasse in Havanna und auch unterwegs: Das berühmte Kuba-Feeling. Es sind die Kubaner selbst, die meiner Meinung nach die zwei Wochen so besonders machten. Schlenderte man in die Straßen entlang wurde man oft angesprochen und in Gespräche verwickelt. Selbst im Stadtteil Centro, wo viele ärmere Kubaner leben, fühlte ich mich immer sicher. Überall war was los, die Leute trafen sich mit ihren Nachbarn vor dem Haus. Es wurden Tische, Stühle aufgebaut, die Kids spielten, die Jugendlichen hörten Musik, die älteren gaben sich mitten auf der Straße dem Domino-Spiel hin. Sehr viele fragten mich, ob ich sie fotografieren könne, sobald sie mich mit der Kamera sahen. Gerade diese Herzlichkeit sieht man auf mehreren der geschossenen Bilder, wie ich finde...

 

Spontan, flexibel, Kuba eben

Wenn man keine Lust hat, die Stadt zu Fuß unsicher zu machen, gibt es etliche Möglichkeiten, um die zum Teil völlig unterschiedlichen Stadtviertel kennenzulernen: Die ziemlich unpersönliche, weil distanzierte Sicht, aus dem Bus, die Kutschen per Pferd, mit dem Fahrrad oder natürlich mit Taxi, sei es die sowjetische Version aus Lada bzw. Moskwitsch oder eben die aus Kubabildern so bekannten Oldtimer, die eine bunte amerikanische Produktpalette der 50er Jahre zeigen. Auch wenn man sie immer wieder auf Fotos sieht, aber ich hätte nicht gedacht, dass so viele Oldtimer unterwegs sind.

 

Die Fahrer sind auch häufig gleichzeitig Selbstständige, die ihre Fahrzeuge natürlich sehr hegen und pflegen müssen. Schließlich war der Autobesitz generell früher ein Privileg, aber es ist wie bei anderen Sachen in Kuba auch, schwierig an Ersatzteile zu kommen. Etwa 60 0000 Oldtimer sollen in Kuba unterwegs sein, sie fahren nicht nur Touristen sondern haben auch speziellen Routen, wie hierzulande die Busse. Wenn man erst mal die komplizierte Zeichensprache gelernt hat, um zu verstehen, welche Route ein Taxi nimmt, ist der Urlaub auch schon wieder vorbei.


Die Oldtimer, seien es Chevy, Cadillac, Buick oder Plymouth waren viele Jahre lang die einzigen Fahrzeuge, die legal in Kuba verkauft werden durften. Der sowjetische Lada war zunächst nur Diplomaten gestattet, Mercedes gab es nur in Havanna. Auch Fidel Castro ließ sich mit der deutschen Marke herumkutschieren.
So eine Fahrt gehört einfach zum normalen Touri-Programm dazu, also auch für uns.

Die meisten Fahrten beginnen oder enden am Capitolio, eine Nachbildung vom Kapitol in Washington, nur dass die kubanische Version natürlich größer ist. Im in den 20ern entstandenen Gebäude sind mittlerweile die Nationalbibliothek oder z.B. das Umweltministerium untergebracht. Es liegt zwischen dem Stadtteil Habana Vieja, in dem sich die meisten Sehenswürdigkeiten befinden und wo auch am meisten in die Bausubstanz investiert wird, und dem Centro Habana, dass entgegen seinem Namen, einen eher authentischen Eindruck bietet und mit der Uferpromenade „Malecón" im Norden für uns gerade zum Sonnenaufgang und -Untergang immer ein absoluter Lieblingsort war.

 

„Manchmal ist eine Zigarre einfach nur eine Zigarre"

Abseits der Hauptstadt gibt es natürlich noch mehr zu entdecken. Es ist halt nur anders, aber deswegen nicht uninteressanter. Und wer dachte, dass man nun kaum noch Oldtimer auf den Straßen unterwegs sind, sah sich getäuscht.

 

Über die Nationalautobahn ging es Richtung Vinales. Schon diese Fahrt war ein kleines Erlebnis. Man teilt sich die Straßen nämlich mit Trampern, Fahrradfahrern, Pferdekutschen oder Ochsenpflügen. Herrlich!!! Auf einer Straße sah man etliche Farbflecke auf dem Asphalt und dazu rechts von uns etliche Krebse. Die waren auf dem Weg zum Wasser, um zu laichen. Wenn sie meist am Vormittag die Straße dorthin überqueren müssen, schaffen es so einige nicht mehr und werden von den Fahrzeug überfahren. Als wir dort entlang kamen, sah man nur noch die Spätsünder und unser Fahrer Oswaldo hupte netterweise, damit die Tiere wenigstens eine kleine Chance haben.

 

Auf dem Weg nach Vinales ging es entlang vieler Tabakplantagen, schließlich soll hier der beste Tabak der Welt wachsen und das auf roter Erde. Der Besuch bei einem Tabakbauern war also obligatorisch. Fast 300 Arbeitsschritte braucht es, um eine Havanna-Zigarre herzustellen... und das alles komplett handgemacht. Die Stauden können bis zu zwei Meter hoch wachsen, allerdings dauert die Ernte auch gerne Mal anderthalb Monate, weil die Blätter nur alle paar Tage vorsichtig gepflückt werden dürfen. Während einem in Havanna auf den Straßen immer mal wieder Fälschungen angeboten wurden, findet man hier also die Originale, wie die Sorte „Romeo y Julieta", die es schon seit 1850 gibt. Andere, wie die „Cohibas" zum Beispiel waren früher nur Diplomaten und Staatsoberhäuptern vorbehalten und waren erst Anfang der 80er für alle anderen zugänglich. Nach einer riesigen Nachfrage Ende der 90ern ist der Zigarren-Boom zwar mittlerweile abgeebbt, dafür aber die Qualität gestiegen. Heute gibt es nur noch eine Handvoll dieser Zigarrenmanufakturen. Den Unterschied zwischen den einzelnen Marken macht die geheime Mischung aus hellen und dunklen, leichten und starken, milden und würzigen Blättern. Angeblich soll es über 60 verschiedene Farbtöne und Schattierungen der Blätter geben. Um die Dreher auch intellektuell zu beschäftigen, gibt es auf einem Podest einen weiteren Arbeitsplatz, nämlich den des Vorlesers, der über Nachrichten aus der Tageszeitung berichtet oder aus Romanen vorliest.

Fruchtbare Landschaften überall auf dem Weg von Havanna hierher, insbesondere im Vinales-Tal. Hier wird neben Tabak vor allem Zuckerrohr und Kaffee angebaut. Eine Zigarrenbestellung habe ich bereits mitbekommen. Da ich weder Zigarrenraucherin noch Kaffeetrinkerin bin (warum bin ich eigentlich überhaupt hier?), bleibt für einen selbst nur, Alkohol mitzunehmen. Es ist ja schließlich das Land der Familie Bacardi. Prost!

Die Landschaft hier zwei Stunden von Havanna entfernt ist wirklich unglaublich: Hier die „Mogotes", sogenannte Karstberge, dort rotbraune Erde, Pflanzen, die man nur hier auf Kuba findet, die Strohhütten aus Palmen der Einwohner, dahinter unterirdische Flüsse und ein großes Höhlensystem. Vor allem ist die Ruhe nach dem lauten, aber keineswegs hektischen Havanna sehr angenehm. Hier sieht man noch Bauern mit ihren Ochsen, die Pflüge durch die schwere Erde ziehen, Ochsenkarren, die die Ernte in die Dörfer bringen oder Reiter ohne Sattel auf dem Pferd, mit der obligatorischen Machete am Gürtel. Manchmal fühlt man sich um Jahrzehnte zurückversetzt.

 

In Vinales und Trinidad verzichteten wir auf die unpersönlichen Hotels wie in Havanna und übernachteten in „Casas Particulares", also Privatpensionen. So kam man schnell und einfach mit den Einheimischen ins Gespräch.  Und wer meinte, Kuba sei in Sachen Bildung ein Dritte-Welt-Land, der sieht sich getäuscht. Schließlich ist neben der medizinischen Versorgung auch die Schulbildung kostenlos. Somit gelten  die gleichen Chancen für alle, unabhängig von ihrer Herkunft. Mal schauen wie es demnächst aussieht, denn während wir dort waren hat das Land einen neuen Präsidenten bekommen. Und diesmal einen, der nicht Castro heißt und auch nicht in der damaligen Revolution gekämpft hat.

 

 

Ein Freilichtmuseum und auf den Spuren Hemmingways

Zu Trinidad möchte ich gar nicht so viel erzählen. Es ist im touristischen Teil ein Freilichtmuseum und so unwirklich wie das klingt, fühlte ich mich auch. Bloß gut besteht die Stadt nicht nur aus den ehemaligen Herrschaftshäusern der Zuckerbarone. Etwas abseits fand man wieder das geschäftige Treiben. Und wie auch in anderen Orten hieß es: Wenn man viele Menschen auf einer Stelle sieht, die allesamt auf nach unten schauen, hat man eine WiFi-Zone gefunden. Vorher eine Prepaidkarte dafür kaufen und schon ist man mit zu Hause verbunden. Wobei, nicht immer erreichbar zu sein ist auch eine Lösung!

 

Ansonsten hat Hemmingway eine kleine Villa in Havanna, in der er mehrere Bücher schrieb und in der Stadt selbst übernachtete er eine Zeitlang in einem Hotel, in dem sich noch das originalgetreue Zimmer befindet. Naja, für die damalige Zeit groß... Neben Büchern kannte sich der Herr offensichtlich auch gut mit dem Nationalgetränk der Kubaner aus. Ob er allerdings den Mojito in der bestimmten Bar auch schon um kurz nach 10 Uhr vormittags getrunken hat wie wir?

 

„Nichts ist unmöglich für den, der den Kampf aufnimmt"

Also auf nach Santa Clara...

Spürte ich einen Hauch von Revolutionsromantik? Schließlich ist hier Ernesto "Che" Guevara begraben.


In Santa Clara siegte Che Guevara in der entscheidenden Schlacht der Guerilleros gegen Batista. Erbaut 1988 anlässlich des 30. Jahrestages von Che Guevaras Sieg über die Bautista-Truppen. Die sterblichen Überreste des Revolutionärs wurden von Bolivien hierher überführt. In der Stadt findet man noch vier Zugwaggons des gepanzerten Zuges, den die Truppen im Auftrag Che Guevaras entgleisen ließen. Zwei Tage später war der Kampf beendet.

Apropos Revolution: 1902 wird den USA nach ihrem Sieg über die spanischen Besatzer das Recht eingeräumt, eine Militärbasis auf Kuba zu unterhalten. Nach den Geschehnissen vom 11.September 2001 ist ein Name leider fast jedem bekannt: Guantanamo. Somit zeigte sich den Kubanern, das man zwar einen Besatzer losgeworden ist, jedoch keineswegs Freiheit und Unabhängigkeit dadurch erlangte. Mit der damaligen Entscheidung wurde der Nährboden für die spätere Revolution des Fidel Castro gesät und trotz Versprechungen von Obama besteht das Gefängnis immer noch.

 

Im Osten des Landes, wo sich neben Guantanamo auch die kurzzeitige Hauptstadt Santiago de Cuba befindet, waren wir gar nicht. Dann hätte ich auch noch zwei Wochen ranhängen müssen. Gerade Santiago, wo viele der damaligen Musiker des Buena Vista Social Clubs herstammten, ist sicher auch einen Besuch wert gewesen. Ansonsten lebte der Oststeil früher vom Zuckerrohr und war mehrmals Beginn der Revolution und die dortigen Berge Rückzugsort für die Guerilleros wie Fidel Castro und Che Guevara.

 

Erholung für die geschundenen Füße

Ja, es gibt tatsächlich Menschen, die sich all die obigen Erlebnisse entgehen lassen. Vor allem Kanadier sind nicht auf Kuba selbst aus, sondern auf deren Strände. Die Inseln durften früher Kubaner nicht betreten, es sei denn sie arbeiteten dort. Ausschließlich für Touristen waren diese ganzen All-inclusive-Anlagen gedacht. Aber auch in diesem Land geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander, so dass nun auch Einheimische sich das Lotterleben am Strand leisten können.

Viele Urlaubsorte werden sich immer ähnlicher, doch Kuba sticht in seiner Einzigartigkeit heraus. Hoffentlich noch für lange Zeit. Natürlich muss sich das Land weiterentwickeln, denn gerade die Jugendlichen verbinden mit der "Revolution der Bärtigen" nur noch den Geschichtsunterricht. Kubaner, sei euch gesagt: Es geht auch ohne McDonalds!!!