Tskaltubo war einst ein blühender Kurort in Georgien. Heute ist es ein Ausflugsparadies für Liebhaber „verlassener Orte“. Geprägt von der Blütezeit zu Sowjetzeiten und den dramatischen Veränderungen seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, bietet der Ort eine faszinierende Geschichte zwischen glorreicher Vergangenheit, Flüchtlingsdramen und ungewissen Zukunftsaussichten.
Von der einstigen Pracht sind heute nur noch die verlassenen Gebäude der Sanatorien übrig geblieben. Heute dienen die monumentalen Bauten nicht nur als stumme Zeugen der Vergangenheit, sondern auch als Zufluchtsort für Menschen, die durch den Krieg in Abchasien vertrieben wurden.
Der Kurort Tskaltubo liegt 20 Minuten von Kutaissi, der zweitgrößten Stadt Georgiens, entfernt. In der Sowjetzeit war Tskaltubo einer der größten Kurorte des Republikverbundes. Die Heilquellen von Tskaltubo wurden im 13. Jahrhundert entdeckt, die ersten Badehäuser in den 1870er Jahren gebaut. In der Sowjetzeit, insbesondere in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde der Ort zum beliebtesten und am weitesten entwickelten Kurort Georgiens. In der Blütezeit gab es etwa 5.000 Betten in 22 Hotels und Sanatorien mit 125.000 Besuchern. Wegen seiner Thermalquellen wurde Tskaltubo bereits seit dem 19. Jahrhundert als Heilbad betrieben. Im Zuge der sowjetischen Kurortpolitik baute man es zwischen 1939 und 1955 auf. Dabei entstanden historische Gebäudekomplexe im Stil des sowjetischen Neo-Klassizismus – in einer zweiten Hochphase der 1970er Jahre wurde Tskaltubo dann architektonisch im Stil der sowjetischen Moderne ausgebaut.
Ein Kuraufenthalt war damals nicht nur den Wohlhabenden vorbehalten. Stattdessen war es eine vorgeschriebene und meist obligatorische jährliche Auszeit – das „Recht auf Erholung“ war in der russischen Verfassung verankert. Die sowjetischen Werktätigen kamen hierher, um sich zu erholen, zu erfrischen und medizinisch behandeln zu lassen.
Der Niedergang des Kurbetriebs in Tskaltubo begann mit der Unabhängigkeit Georgiens 1991 und dem Zusammenbruch der Sowjetunion Ende Dezember 1991. Die Besucherzahlen brachen ein, die Hotels und Bäder mussten schließen. Vorher wurde alles mitgenommen, was man verbrennen oder als Schrott verkaufen konnte.
Die Unabhängigkeit Georgiens führte schon bald zu Konflikten mit den Gebieten Abchasien und Südossetien. Kurz darauf, 1992, herrschte der Abchasienkonflikt. Der Krieg wurde zwischen den georgischen Streitkräften und den abchasischen Separatisten (die von den Streitkräften der russischen Regierung unterstützt wurden) geführt. Als Folge des Krieges wurden 250.000 Georgier zu Binnenvertriebenen* oder Flüchtlingen und suchten Schutz. Ungenutzte ehemalige Sanatorien, Hotels, Wohnheime und Kasernen wurden zur vorübergehenden Unterkunft. Allein zehntausend Flüchtlinge kamen in den leerstehenden Sanatorien und Hotels von Tskaltubo unter, wo sie zu großen Teilen noch heute in den morschen Palästen leben. Anfangs sollten die Gebäude nur eine vorübergehende Unterkunft bieten, aber fast drei Jahrzehnte später wohnen dort immer noch Generationen von Familien. Von der Regierung waren ihnen eigentlich neue Unterkünfte versprochen worden. Doch diese kamen erst spät und verblieben manchmal nur im Status eines Rohbaus. Mittlerweile ist es dem georgischen Staat gelungen, die meisten Flüchtlingsfamilien in alternativen Wohnraum umzusiedeln. Einige verweilen jedoch immer noch in den ehemaligen Unterkünften der Sanatorien.
In den letzten Jahren haben private Investoren Interesse an einer Wiederbelebung des Kurbetriebs in Tskaltubo gezeigt, um die Stadt wieder zu einem bedeutenden Kurort zu machen. Getan hat sich bisher wenig.
Die weitläufige Parkanlage beeindruckt mit seinen monumentalen Eingängen, noch vorhandenen riesigen Kronleuchtern
oder ehemaligen Bädern bis heute. Sie befinden sich aber weiterhin in einem Zustand des Zerfalls. Diese morbide Schönheit lockt auch immer wieder Vermählte an diese Orte, die hier ihre
Hochzeitsfotos machen. Das wirkte schon makaber, wenn dort festlich gefeiert wird, während in Sichtweite die Leute mit dem wenigen auskommen müssen, was sie haben.
*Binnenflüchtlinge wurden innerhalb des eigenen Staatsgebietes vertrieben, können aber nicht zurückkehren, weil sich ihre Herkunftsregion als unabhängig erklärt hat. Die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien hatte Massaker, Plünderungen, Vergewaltigungen und Kriegsverbrechen zur Folge.
Tskaltubo war nur ein Teil meiner Georgien-Reise. Hier findet ihr einen Bericht über die restliche Tour.