Gyumri ist nicht nur die zweitgrößte Stadt Armeniens, angeblich war sie früher die schönste Stadt des Landes. Warum früher? 1988 wurde sie durch ein starkes Erdbeben erheblich zerstört, zehntausende Menschen starben, Hunderttausende wurden obdachlos. Die meisten Gebäude im Zentrum von Gyumri wurden zerstört, unter anderem die Erlöserkirche.
1837 - kurz nach dem Bau des Ortes - errichteten die Russen hier eine Festung und benannten sie nach dem Zaren, Alexanropol. Ab 1924 hieß der Ort Leninakan, später umbenannt in Gyumri. Zur Zeit der Sowjetunion war die Stadt eines der größten Industriezentren. Über 15 Lebensmittel- und Textilfabriken siedelten sich hier an. An diese Zeit erinnert heute nur noch eine sehr sehenswerte Statue.
Das Zentrum ist mittlerweile wieder größtenteils hergestellt. Im Gegensatz zu Yerevan wurden für die Gebäude der Stadt nicht rosafarbener Tuffstein sondern schwarzer vulkanischer Tuffstein verwendet, der sie aus meiner Sicht so besonders macht. Die Wunden des Erdbebens sind aber immer noch überall in der Stadt zu sehen: Eine große Anzahl zerstörter und verlassener Häuser, wie z.B. das ehemalige Krankenhaus mit dem Sowjetstern über dem Eingang oder den Kulturpalast mit einer wunderschönen Malerei in der Nähe vom Bahnhof. Ein Abstecher zum Bahnhof von Gyumri lohnt sich auch, wenn man nicht den Zug nehmen muss. Es ist ein bemerkenswertes Beispiel sowjetisch-armenischer Architektur, die alte armenische Elemente mit sowjetischer Moderne verbindet. Der Bahnhof wurde 1979 vom selben Architekten entworfen, wie der Mutter Armenien Komplex und besitzt ein schönes Bassrelief über dem Eingangsbereich.
Eines der außergewöhnlichsten Bauwerke (zumindest aus meiner Sicht) hat das Erdbeben überstanden: „The Iron Fountain“ oder der Eisenbrunnen. Es war einst das Herzstück des Campus der Polytechnischen Universität von Gyumri. Der Brunnen wurde 1982 vom armenisch-stämmigen Architekten Artur Tarchanjan entworfen und gebaut. Gerade einmal sechs Jahre war er in Betrieb. Das Erdbeben machte die gesamten Gebäude der Universität in der unmittelbaren Umgebung dem Erdboden gleich, „The Iron Fountain“ blieb unbeschadet. Der Brunnen funktioniert heute leider nicht mehr. Auf alten Fotos sah er noch imposanter aus, wie das Wasser senkrecht nach oben herausgedrückt wurde. Der Brunnen besteht komplett aus Eisen und besitzt eine komplizierte geometrische Architektur, die ihn so interessant macht. Weil er nicht mehr funktioniert und der ehemalige Campus in unmittelbarer Nähe brachliegt hat der Brunnen den Charme eines Lost Places.
Nicht nur in Yerevan gibt es eine Mutterland-Statue, sondern neben Ijevan hat auch Gyumri seit 1975 seine "Mutter Armenien". Sie befindet sich auf einem kleinen Berg in unmittelbarer Nähe zur schwarzen Festung „Sev Berd“. Die im Vergleich zur Hauptstadt kleinere und nicht ganz so aggressiv erscheinende Mutter-Statue (sie hält eine Ähre in der Hand, die in Yerevan ein Schwert) wurde von den Bildhauern Ara Sargsian und Yerem Vartanyan entwickelt und vom Architekten Rafik Yeghoyan gebaut.